Verbrechen mal anders

Autor:  Jürgen Corhsen
5.0/5 | 1


Heute bin ich früh erwacht. Froh gelaunt ließ ich die Kaffeemaschine und den Toaster arbeiten, um mich gemütlich zu rasieren.
Das wacklige Radio auf der Ablage, röhrte ein wenig mit Heiserkeit beschlagen, durch den fast leeren Raum. Das summen des vibrierenden Stoppelbekämpfungsgerätes passte fast zu der Stimme des Radiosprechers.
Wieder eine Wiederholung von Gestern, glaubte ich zu wissen, und konzentrierte mich auf die borstigen Haare.
Besonders in der Halsgegend, da sind sie etwas zu weich und wehren sich immens gegen den allmächtigen Rasierkopf.
So langsam hatte ich das Gefühl, der Nachrichtensprecher passte sich mit seinen Themen der rotierenden Scheibe meines ächzenden aber vernichtenden Stoppel-Entfernens an. Schlag um Schlag haute der eine die Haare um und Schlag auf Schlag prasselten vernichtende Nachrichten auf meine empfindliche Ohrmuschel.
Und da kam sie.
Die Nachricht des Tages.
Ich stand Kopf.
Der Rasierapparat glitt aus meinen Händen, rasierte neben her fein säuberlich einen schönen Streifen durch meine kargen Brusthaare und landete in den am Boden stehenden Wäschekorb.
So lag er zwischen den Kleidungsstücken und surrte wie ein kleines schlafendes Kätzchen leise vor sich hin.
Ich aber stand entsetzt, das rechte Ohr am kalten Lautsprecher gepresst, und ein wenig fröstelnd wie gelähmt vor der Lautsprecherbox.
Die Heizung hatte seit Tagen den Geist hergegeben um nicht arbeiten zu müssen. In den kalten Wintertagen, und grade Morgens war das schon etwas unangenehm.
Doch diese Nachrichten.
Diese Nachrichten ließen mich alles vergessen. Kein Frieren, kein summender Rasierer im Wäschekorb brachte mich davon ab.
Ich musste es wissen. Die leise Stimme des Redners nervte.
"Kann der Affe nicht lauter reden", kahm es so aus mich heraus. Und ich erschrak fast vor meinen eigenen Worten.
So laut hallten sie durch den Raum.
Endlich meldete sich mein verschlafenes Gehirn und bat mich, doch den Lautstärkeregler zu betätigen.
Mensch, diese Nachricht.
Ich muss es wissen.
Und dann kam sie, diese eine Suchmeldung.
Meine Güte schoss es schlagartig durch meine grauen Zellen, und das in meiner Verwandtschaft.
Ein Verbrecher?
Einer der gegen fast alle Gesetze verstieß?
Das kann doch nicht wahr sein!
Welch eine Nachricht. Mein Schädel pocht. Ich kann es nicht fassen.
Am liebsten währe ich hinein gekrochen. Diese Pausen des Sprechers, die nervten. Doch irgend wie war das Radio zu klein. Also drückte ich meine Lauscher noch fester an den viel zu kleinen Lautsprecher.
Mensch erzähl schon, forderten meine Gedanken.
Ich muss es hören. Ich muss es wissen.
Mein engster Verwandter, Oh Gott. Das ist die Hölle.
Dann der Name.
Gesucht wird Siegfried C.
Das ist er. Das ist er. Wiederholten sich meine rasenden Erinnerungen.
Was, spuck es aus. Ich will es endlich höhren.
Dann kam es.
Mein Bruder wird beschuldigt eine Frau entführt zu haben.
Siegfried C hat die lebensfrohe und kesse Sonja entführt.
Dann hörte ich:
"Neben der unwiderruflichen Geiselnahme, die hauptsächlich mit Sonjas Einwilligung zustande kam, wird dem Beschuldigten zu Last gelegt, das er auch noch Sonjas Herz gestohlen hat."
Was ist das für ein grausamer Menschen, schoss es mir in meiner Verzweiflung durch den Kopf.
Nicht nur Entführung. Nein auch noch ein brutaler Diebstahl.
Er soll Sonja den Kopf verdreht haben, so der Sprecher weite.
Das ist ja fürchterlich. Wer kann so etwas tun. Wer kann einen Menschen nur den Kopf verdrehen. Das ist doch übelste Körperverletzung.
Und dann machte sich mein Bruder noch der Brandstiftung schuldig.
Ihre zarte Seele hatt er in Flammen gesetzt,
Ich dreh durch.
Schlimmer kann es doch nicht mehr werden.
Der geht lebenslänglich ab.
Ich dachte das war es, doch der Typ im Radio schien noch mehr zu wissen.
Nun soll mein Bruder auch noch wegen Raubes belangt werden.
Den Schlaf soll er der Sonja geraubt haben.
Die arme Frau. Was die alles erleiden muste.
Und dann der Hammer. Nötigung und Erpressung werden ihm auch noch vorgeworfen.
Er soll der Sonja ein Liebesgeständnis abgerungen und sich ihr Ja - Wort entlockt haben.
Aber wenn das nicht schon alles wäre.
Mein Bruder ist wohl einer von den ganz schweren Jungs.
Ich sag ja, lebenslänglich hat der verdient.
Gegen das Betäubungsmittel-Gesetz soll er auch verstoßen haben.
Laut Nachrichten hat er die Sonja mit seiner Zärtlichkeit dermaßen berauscht, das sie schon in eine Abhängigkeit stürzte.
Laut psychologischem Attest kann Sonja nicht genug bekommen. Die Ärzte bezweifeln, das sie Sonja von der Abhängigkeit befreien können.
Das ist das Ende glaubte ich zu wissen. Wenn die den kriegen.
Zum Schluss dann eine Beschreibung des Täters.
Präzise und ausführlich gab der Sprecher bekannt:
"Der für sein äußerst zärtliche Vorgehen bekannte Entführer sei älter als er aussieht.
Sein Mund, würde sich häufig an herumlungernden Biergläsern vergreifen und seit neusten des Öfteren in Kuss-Position verharren.
Die von ihm entführte Sonja ist von lebensbejahender Natur und hat seit der Entführung zwei verliebte Augen.
Der verzweifelte Aufruf, aller beteiligten Eltern, Verwandten und Bekannten: "Mach unsere Sonja glücklich" geht mir sehr nahe.
Es sei bei dem Täter äußerste Vorsicht geboten, da er schwer bewaffnet mit zwei Eheringen Richtung Ehehafen unterwegs ist.
Wer den Gesuchte findet oder sieht, wird gebeten diesen umgehend, ohne Rücksicht auf Person oder Ansehen, zur Johanneskirche bei Kempten zu schleifen.
Damit dort die Trauung vollzogen werden kann.
Ich hab es doch gesagt: "der kriegt lebenslänglich"
Welch ein Morgen.
Es wird Zeit den kalten Kaffee zu schlürfen um mich für die Maloche fertig zu machen
@ Jürgen C