Traurige Tänze

author: Stefan George
0.0/5 | 0


Des erntemondes ungestüme flammen
Verloschen · doch sie wirken in uns beiden ·
Nach kurzer trennung schritten wir zusammen
Am alten flusse mit den neuen leiden.

Zum ersten male strittest du darüber ·
Ich selber konnte dir nicht mehr erklären
Warum die stürm- und wintertage trüber
Warum die frühlingslüfte froher wären.

Du streichest zürnend über deine locken
Da ich dich heute schon so ruhig finde . .
Ich klage fast: sind meine tränen trocken ·
Die tränen fern von Lilia dem kinde ?

Der raum mit sammetblumigen tapeten
- So waren sie zur zeit der ahnin mode -
An meinem arme bist du eingetreten.
Nun reden wir vom guten tode.

Die starren eisesranken an den Scheiben
Entrücken uns den weiten wo wir gingen ·
Des herdes flammen zuckend sich umschlingen ·
Vor ihnen lass uns eine weile bleiben.

- So glaubst du fest dass auch das spiel der musen
Ihm den sie liebten niemals wieder freue -
Und ist das reiche licht in deinem busen
Auch ganz erloschen ? sag es mir in treue !

Es lacht in dem steigenden jahr dir
Der duft aus dem garten noch leis.
Flicht in dem flatternden haar dir
Eppich und ehrenpreis.

Die wehende saat ist wie gold noch ·
Vielleicht nicht so hoch mehr und reich ·
Rosen begrüssen dich hold noch ·
Ward auch ihr glanz etwas bleich.

Verschweigen wir was uns verwehrt ist
Geloben wir glücklich zu sein ·
Wenn auch nicht mehr uns beschert ist
Als noch ein rundgang zu zwein.

Gib ein lied mir wieder
Im klaren tone deiner freudentage -
Du weisst es ja : mir wich der friede
Und meine hand ist zag.

Wo dunkle seelen sinnen
Erscheinen bilder seltne hohe ·
Doch fehlt das leuchtende erinnern ·
Die farbe hell und froh.

Wo sieche seelen reden
Da lindern schmeichelhafte töne
Da ist die stimme tief und edel
Doch nicht zum sang so schön.

Das lied das jener bettler dudelt
Ist wie mein lob das dich vergeblich lädt ·
Ist wie ein bach der fern vom quelle sprudelt
Und den dein mund zu einem trunk verschmäht.

Das lied das jene blinde leiert
Ist wie ein traum den ich nicht recht verstand ·
Ist wie mein blick der nur umschleiert
In deinen blicken nicht erwidrung fand.

Das lied das jene kinder trillern
Ist fühllos wie die worte die du gibst ·
Ist wie der Übergang zu stillern
Gefühlen wie du sie allein noch liebst.

Drei weisen kennt vom dorf der blöde knabe
Die wenn er kommt sich ständig wiederholen :
Die eine wie der väter hauch vom grabe
Die eh sie starben sich dem herrn befohlen.

Die andre hat die tugendhafte weihe
Als ob sie Schwestern die beim spinnrad sassen
Und mägde sängen die in langer reihe
Vor zeiten zogen auf den abendstrassen.

Die dritte droht - Versündigung und rache -
Mit altem dolch in himmel-blauer scheide ·
Mit mancher sippe angestammtem leide ·
Mit bösen Sternen über manchem dache.

Stätte von quälenden lüsten
Wo ihr gestrandet seid -
Lass deine sonnigen küsten ·
Folge dem strengen bescheid !

Mach dass dein ruder erstarke
Langsam ohne gefahr
Schaukelt dann deine barke
Fort mit dem sinkenden jahr.

Nicht vor der eisigen firnen
Drohendem rätsel erschrick
Und zu den ernsten gestirnen
Hebe den suchenden blick !

Die wachen auen lockten wonnesam ·
Im veilchenteppich kam sie an das gitter
Geschmückt wie jährig für den bräutigam
Und dachte sein bis nach dem fest der Schnitter.

Nur eine lerche die im haine schlug
Bemerkte ihr erröten und erschrecken
Und wie in sommer-langer tage zug
Sie sann und welkte bei den eiben-hecken.

Von ihrer schlanken anmut spricht allein
Bei perlenschnüren eine seidne locke
Die eine fromme freundin birgt im schrein . .
Und schlichtes gras mit einem marmorblocke.

Da kaum noch sand im stundenglase läuft
So zieh ihm nach dem wandrer tau-beträuft ·
Die heisse luft verwehte ihn geschwind ·
Den freund der blumen und der Sterne kind ·

Der eines morgens vor dem schnitt der saat
Die hände traurig vor die stirne tat
Und durch wer weiss welch frühen fluch gemahnt
Im heut den lezten jugendtag geahnt ·

Der durch kein sonnenschmeicheln mehr erweicht
Solang er schön war ohne klage leicht
Gleich einem sommervogel überm ried
An jenem tag aus unsren kreisen schied.

Trauervolle nacht!
Schwarze sammetdecke dämpft
Schritte im gemach
Worin die liebe kämpft.

Den tod gab ihr dein wunsch ·
Nun siehst du bleich und stumm
Sie auf der bahre ruhn ·
Es stecken lichter drum.

Die lichter brennen ab ·
Du eilest blind hinaus
Nachdem die liebe starb -
Und weinen schallt im haus.

Wir werden nicht mehr starr und bleich
Den früheren liebeshelden gleich ·
An trübsal waren wir zu reich ·
Wir zucken leis und dulden weich.

Sie hiessen tapfer · hiessen frei
Trotz ihrer lippen manchem schrei ·
Wir litten lang und vielerlei
Doch schweigen müssen wir dabei.

Sie gingen um mit schwert und beil ·
Doch streiten ist nicht unser teil ·
Uns ist der friede nicht mehr feil
Um ihrer guter weh und heil.

Ich weiss du trittst zu mir ins haus
Wie jemand der an leid gewöhnt
Nicht froh ist wo zu spiel und schmaus
Die saite zwischen säulen dröhnt.

Hier schreitet man nicht laut nicht oft ·
Durchs fenster dringt der herbstgeruch
Hier wird ein trost dem der nicht hofft
Und bangem frager milder spruch.

Beim eintritt leis ein händedruck ·
Beim weiterzug vom stillen heim
Ein kuss - und ein bescheidner schmuck
Als gastgeschenk : ein zarter reim.

Dies leid und diese last: zu bannen
Was nah erst war und mein.
Vergebliches die arme spannen
Nach dem was nur mehr schein ·

Dies heilungslose sich betäuben
Mit eitlem nein und kein ·
Dies unbegründete sich sträuben ·
Dies unabwendbar-sein.

Beklemmendes gefühl der schwere
Auf müd gewordner pein ·
Dann dieses dumpfe weh der leere ·
O dies : mit mir allein !

Nicht ist weise bis zur lezten frist
Zu geniessen wo vergängnis ist.
Vögel flogen südwärts an die see ·
Blumen welkend warten auf den schnee.

Wie dein finger scheu die müden flicht!
Andere blumen schenkt dies jahr uns nicht ·
Keine bitte riefe sie herbei ·
Andre bringt vielleicht uns einst ein mai.

Löse meinen arm und bleibe stark ·
Lass mit mir vorm scheidestrahl den park
Eh vom berg der nebel drüber fleucht ·
Schwinden wir eh winter uns verscheucht!

Keins wie dein feines ohr
Merkt was tief innen singt ·
Was noch so schüchtern schwingt
Was halb sich schon verlor.

Keins wie dein festes wort
Sucht so bestimmt den trost
In dem was wir erlost ·
Des wahren friedens hort.

Keins wie dein fromm gemüt
Bespricht so leicht den gram . .
Der eines abends nahm
Was uns im tag geglüht.

Mir ist kein weg zu steil zu weit
Den ich nicht ginge - mein geleit -
Mit dir · uns ängstet keine kluft
Und sühne steht auf jeder gruft.

So kreuzen wir in wehmut nur
Der freudlos grauen aschen flur
Mit ihrem dürren gras und dorn ·
Doch rein von reue rein · von zorn.

Mein feuchtes auge späht nur fern
Nach diesem einen aus der gern
Die harfe reich und wohl gestimmt
Der unsre goldne harfe nimmt.

Die stürme stieben über brache flächen
Und machen heller ahnung voll die runde ·
Da wollen sich erstickte fluren rächen ·
Da zittert seufzen aus dem bergesschlunde.

Es scheint als ob die schrecklich fernen grollen
Doch eine stimme mahnt aus friedensföhren :
Hast du mir ehdem nicht versprechen sollen
Der gräber ruh mit klage nie zu stören !

Ich zog vorbei am winterlichen pfahle
Vor dem wir nie in leerem weinen knieten ·
Ich bat dich nur der bald ihn sieht dem strahle
Des frohen lenzes meinen gruss zu bieten.

Geführt vom sang der leis sich schlang
Dir ward er leicht der ufergang.
Ich sah der höhen dichten rauch
Verjährtes laub und distelstrauch.

Dein auge schweift schon träumerisch
Auf eine erde gabenfrisch ·
Denn dein gedanke flattert fort
Voraus zu einem sichern hort.

Ich frage noch: wer kommt wenn sanft
Die gelbe primel nickt am ranft
Und sich das wasser grün umschilft
Der mir den mai beginnen hilft ?

Entflieht auf leichten kähnen
Berauschten sonnenweiten
Dass immer mildre tränen
Euch eure flucht entgelten.

Seht diesen taumel blonder
Lichtblauer traumgewalten
Und trunkner wonnen sonder
Verzückung sich entfalten.

Dass nicht der süsse schauer
In neues leid euch hülle -
Es sei die stille trauer
Die diesen frühling fülle.

Langsame stunden überm fluss ·
Die welle zischt wie im verdruss
Da von dem feuchten wind gefrischt
Ein schein bald blendet bald verwischt.

Wir standen hand in hand am Strand
Da sah sie ähren in dem sand ·
Sie trat hinzu und brach davon
Und fand auf diesen tag den ton :

Beginnend klang er hell und leicht
Wie von dem ziel das wir erreicht ·
Dann ward er dumpfer als sie sang
Vom fernen glück - wie bang ! wie lang !

Der hügel wo wir wandeln liegt im schatten ·
Indes der drüben noch im lichte webt ·
Der mond auf seinen zarten grünen matten
Nur erst als kleine weisse wolke schwebt.

Die strassen weithin-deutend werden blasser
Den wandrern bietet ein gelispel halt ·
Ist es vom berg ein unsichtbares wasser
Ist es ein vogel der sein schlaflied lallt ?

Der dunkelfalter zwei die sich verfrühten
Verfolgen sich von halm zu halm im scherz . .
Der rain bereitet aus gesträuch und blüten
Den duft des abends für gedämpften schmerz.

Flammende wälder am bergesgrat ·
Schleppende ranken im gelbroten Staat!
Vor ihrem Schlummer in klärender haft
Hebst du die traube mit leuchtendem saft.

Lang eh sie quoll mit dem sonnigen seim
Brachtest du strauss und kranz mit heim
Und du begrüssest den lohnenden herbst
Da du von sommers schätzen erbst.

Ihm ward die frucht zum genuss nicht bestellt
Der sich nicht froh auch den knospen gesellt.
Fragst du ihn so sagt er dir: weil
Man mir nahm mein einzig heil. .

Der abend schwül · der morgen fahl und nüchtern
Sind ewiger Wechsel ihrer trüben reise ·
Sie ganz in tränen ganz in schmerz und schüchtern
Bestimmten die gezogenen geleise.

An hohen toren wo sie eintritt heische
Ist niemand der für ihre treue zeuge
Und keine hand die fleisch von ihrem fleische
Sich bis zu ihr herniederbeuge.

So wird sie bald ergriffen vom getöse
Bald kehrt sie um mit seiner schlimmen beute
Und so wie früher murmelt sie noch heute
Den spruch der nahend sie erlöse.

Ob schwerer nebel in den wäldern hängt:
Du sollst im weiterschreiten drum nicht zaudern
Sprich mit den bleichen bildern ohne schaudern
Schon regen sie sich sacht hinangedrängt.

Wenn gras und furche auf dem pfad versteinen ·
Gehäufter reif die wipfel beugt · versteh
Zu lauschen auf der winterwinde weh
Die mit den welken einsamkeiten weinen.

So hältst du immer wach die müde Stirn
Und gleitest nicht herab von steiler bösche
Ob auch das matt erhellte ziel verlösche
Und über dir das einzige gestirn.

Da vieles wankt und blasst und sinkt und splittert
Erstirbt das lied von dunst und schlaf umflutet
Bis jäher stoss das mürbe laub zerknittert ·
Von ehmals wilde wunde wieder blutet -

Bis plötzlich sonne zuckt aus nassen wettern ·
Ein schwarzer fluss die bleichen felder spreitet
Und seltne donner durch die froste schmettern. .
Es merkt nur in dem zug der grabwärts gleitet

Die fackeln zwischen den geneigten nacken ·
Der klänge dröhnen aus dem trauerprunke
Und sucht ob unter rauhen leides schlacken
Noch glimme ewig klarer freude funke.

Zu traurigem behuf
Erweckte stürm die flur ·
Aus finstrem tag entfuhr
Ein todesvogel-ruf.

Kaum zeigt der hügel rund
Der grauen stunden flucht ·
Ein baum tiefhängend sucht
Nach halmen überm grund.

Schon taucht die wüstenei
Zurück zum dunklen Schacht
Ein ton von qual und nacht
Bricht wie ein lezter schrei.

Ob deine augen dich trogen
Durch fallender äste hauf ?
Treiben die kämpfenden wogen
Den strom hinauf ?

Du jagest nach und sie steigen
Von fremden kräften erfasst ·
Wirbelndem rieselndem reigen
Folgt die begehrende hast.

Hüte dich ! führe nicht weiter
Das spiel mit schwerem kauf -
Ziehen nicht deine begleiter
Schon ihren alten lauf ?

Ihr tratet zu dem herde
Wo alle glut verstarb ·
Licht war nur an der erde
Vom monde leichenfarb.

Ihr tauchtet in die aschen
Die bleichen finger ein
Mit suchen tasten haschen -
Wird es noch einmal schein !

Seht was mit trostgebärde
Der mond euch rät:
Tretet weg vom herde ·
Es ist worden spät.

Wie in der gruft die alte
Lebendige ampel glüht!
Wie Ihr karfunkel sprüht
Um schauernde basalte !

Vom runden fenster droben
Entfliesst der ganze glanz ·
Von feuriger monstranz
Mit goldumreiften globen

Und einem weissen lamme -
Und wenn die ampel glüht
Und wenn ihr kleinod sprüht
Ist es von eigner flamme ?

Die jagd hat sich verzogen ·
Du bleibst mit trägem bogen ·
Blutspuren unter tannen -
Horch welch ein laut! von wannen ?

Das ist kein lärm der rüden ·
Kein schrei der flüchtig-müden ·
Du lauschst am grund beklommen ·
Sollst du entgegenkommen ?

(Aus dem Band "Das jahr der Seele")



 
COMMENTS